Alt eingesessene Leipziger erinnern sich sicher noch gut an den Glanz, den das Hôtel de Pologne bis zu seinem Leerstand ausstrahlte. Doch das Gebäude mitten im Zentrum von Leipzig hat eine viel ältere Geschichte.
Diese beginnt im 16. Jahrhundert mit dem Bau der ersten Handels- und Bürgerhäuser in der Hainstraße. Das heutige Hôtel de Pologne geht dabei auf zwei traditionsreiche Gasthöfe zurück. Berühmt war der ältere, genannt Zum Birnbaum. Martin Luther war hier mehrfach zu Gast, auch während seiner legendären Leipziger Disputation 1519. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an der Fassade an diese Historie. Neben dem Birnbaum errichtete man um 1600 den Gasthof Zum Goldenen Adler. Diese Herberge erwarb 1819 der Gastwirt Christian August Pusch und nur vier Jahre später übernahm er auch den benachbarten Birnbaum.
In Erinnerung daran, dass 1706 im Birnbaum der polnische König Stanislaus I. Leszczyski abgestiegen war, fasste der gewitzte Gastwirt beide Häuser unter dem klangvollen Namen Hôtel de Pologne zusammen.
Die noch voneinander unabhängigen Gebäude ließ Pusch durch den renommierten Architekten Eduard Pötzsch 1843 um- und ausbauen. Der Hauptanziehungspunkt der Herberge war der Festsaal, der über 100 Gästen Raum bot. Dieser wurde nur drei Jahre später, 1846, zerstört, als ein Brand im Terpentinlager ausbrach und der Gebäudekomplex nahezu bis auf die Grundmauern abbrannte.
Beim Wiederaufbau sah Pusch die Möglichkeit, hier, an zentraler Stelle der Altstadt, ein einheitliches Hotelgebäude mit fünf Geschossen und 130 Zimmern zu errichten. Mit dieser Größenordnung war das neue Hôtel de Pologne eines der größten Gasthäuser Leipzigs und gehörte zugleich zu den ersten Hotelbauten der Stadt. Erneut prägte ein großer Festsaal den Ruhm des Hauses. Für diesen und einen angrenzenden kleineren Saal wurde eigens ein Saalbau im Hof geschaffen.
Die beiden im klassizistischen Stil erbauten Säle avancierten zum Publikumsmagneten, besonders zu den Messezeiten. Jährlich umdekoriert, verwandelten sie sich zur Freude der Gäste in einen orientalischen Palast, in einen exotischen Palmengarten oder auch in Neptuns Reich. Im großen Festsaal versammelten sich das gesamte Jahr über verschiedene Leipziger Vereine und Stände und veranstalteten ihre Bälle. Zur Adventszeit verzauberte das Haus in den Räumlichkeiten überdies mit einem märchenhaften Weihnachtsmarkt Jung und Alt, Arm und Reich gleichermaßen.
Der stetig wachsende Hotelbetrieb erforderte einen grundlegenden Umbau, der 1890 durch den Architekten Arwed Rossbach erfolgte. Rossbach gestaltete eine neue Fassade im Stil der Palastarchitektur der florentinischen Renaissance und legte die dahinter liegenden Gebäudeteile komplett neu an. Der durch den Bau des Berliner Grandhotels Bellevue bekannte Architekt Ludwig Heim gestaltete im ersten Geschoss des Hotelensembles drei neue, dem Standard eines Luxushotels entsprechende Säle. Die beiden vorderen Festsäle erstrahlten ganz nach dem Geschmack der Zeit in neobarocker Ausstattung mit opulenten Stukkaturen und prachtvollen Bemalungen. Sie bieten heute den außergewöhnlichen Rahmen für bis zu 400 Gäste.
Das Hôtel de Pologne hat im Laufe seiner wechselhaften Historie viele besondere Momente gesehen. In den prunkvollen Sälen des heutigen Baus fand 1907 die Gründung der Zentraleinkaufsgenossenschaft des Verbandes deutscher kaufmännischer Genossenschaften eGmbH, der heutigen EDEKA-Zentrale AG & Co. KG statt.
Die Krisenzeiten des 20. Jahrhunderts führten zum baldigen Niedergang des Hotelbetriebes. Nach dem Ersten Weltkrieg diente das Haus als Österreichisches Messehaus und beherbergte in seinen Sälen das viel gerühmte Kabarett Nachtfalter. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Haus als Soldatenheim genutzt, in den Sälen wechselten sich die Etablissements Casino und Atrium ab. Nach dem Krieg zog in den 1950er Jahren das Messeamt ein und nutzte die Säle als betriebseigene Kantine.
Nach der Wiedervereinigung stand das Haus bis auf die Geschäftszeile überwiegend leer.
Das historische Bauwerk wurde 2011–2014 denkmalgerecht saniert und ihm damit die Voraussetzung für die Anknüpfung an die lebhaften Traditionen des 19. Jahrhunderts gegeben. Glanzstück sind nach wie vor die beiden aufwändig restaurierten Prunksäle, die Michaelis seither in Erinnerung an die Geschichte des Hauses »Salles de Pologne« nennt. Die neobarocken Festsäle können heute endlich wieder betreten und für glanzvolle Veranstaltungen gemietet werden.
Text: Dr. Zita Àgota Pataki